Situationen, die den Kontakt mit anderen, mir nicht (gut) bekannten Menschen betreffen, fallen mir schwerer als vielen anderen , die ich kenne. Das sind Momente wie
… zum Friseur zu gehen
… neue Kollegen etwas über die Arbeit zu fragen, was ich eigentlich dringend in Erfahrung bringen müsste
…. meine Dozenten anzumailen
… nah bei fremden Menschen zu stehen/sitzen, z.B. in der Bahn oder einer Supermarktschlange
Als Kind war ich tendenziell eher ängstlich, andererseits aber auch kreativ und lebendig.
Als Teenager verstärkte sich dieses Zurückhaltende, Ängstliche im Umgang mit anderen Menschen (was sicher auch zu einem Teil an den Mobbingerfahrungen liegt, die ich in dieser Zeit gemacht habe). Zu dieser Zeit habe ich auf keinen Fall unterwegs jemanden nach dem Weg gefragt. Lieber bin ich länger herumgeirrt. Anstehende Arzttermine bereiteten mir tagelang im Voraus Nervosität, meine Noten für die mündliche Mitarbeit in der Schule waren nie so gut wie meine schriftlichen und dergleichen mehr. Wenn jemand mal etwas unfreundlicher oder schroff mit mir sprach, schossen mir schnell Tränen in die Augen. Dinge, die ich ansprechen wollte, schluckte ich hinunter. Immer war da die Hoffnung, jemand anderes würde bemerken, was in mir vorging, was ich so gerne sagen wollte, aber mich nicht traute, mir aus meiner Angst und dem Schweigen hinaushelfen. Manchmal hatte ich in diesen Augenblicken das Gefühl, in mir gefangen zu sein.
Und heute? Inzwischen kann ich nach dem Weg fragen, wenn ich mich verirrt habe 😉 Ich traue mich eher, Fragen zu stellen. Situationen, in denen damals gar nichts klappte, kann ich heute besser angehen, einiges mit Erfolg, einiges mit Teilerfolgen. Generell kann ich sagen, dass es besser geworden ist. Darauf bin ich stolz.
Je nach Tagesform fallen mir all diese Dinge aber unterschiedlich schwer und einiges, das schiebe ich immer noch tage- oder wochenlang aus Angst vor mich her oder traue es mich, wenn es schlecht läuft, gar nicht. Um einen bestimmten Termin telefonisch auszumachen, habe ich unlängst mehrere Wochen gebraucht. Wenn ich z.B. bei einer Behörde an jemandes Tür klopfen muss, weil ich bei dieser Person einen Termin habe, werde ich nervös. Und wenn ich in der U-Bahn gegenüber von jemandem sitze, würde ich gerne oft immer noch unsichtbar werden, weil ich mich so unwohl fühle und denke, mein Gegenüber schaut mich an und jeder kann mir meine Unsicherheit und Angst ansehen. Spreche ich mit mir fremden Menschen, habe ich oft das Gefühl, meine Stimme klingt schwächer, anders als sonst. Ich weiß nicht, wo ich hinschauen soll. Dem anderen in die Augen blicken, ja, aber wie lange? Wohin schaue ich danach? Was mache ich mit meinen Händen? Bitte, Erdboden, tu dich auf und verschluck mich!
Gefühlt gibt es für mich zwei Modi. Der eine, in dem ich mich sicher und als ich selbst fühle, mit mir im Reinen, in dem ich keine unbegründete Angst vor anderen Menschen habe und denke, ich schaffe das. Und der andere, in dem mich Unsicherheit und Angst bestimmen. Sicher, da fühle ich mich zuhause, bei Gesprächen mit Familie, Freunden und guten Bekannten, in vertrauten Situationen und Anforderungen. Routine ist für mich ein großer Sicherheitsfaktor. Unsicher und ängstlich, so begegne ich oft Neuem und Unbekanntem, unvertrautem Terrain. Komme ich aus dieser Unsicherheit zurück nach Hause in meine Wohnung, fühle ich mich, als würde eine Last von meinen Schultern fallen. Dann ist sie weg, die Angst vor Ablehnung, die Sorge nicht gut genug, zu unbeholfen zu sein, vielleicht ausgegrenzt oder gemobbt zu werden wie damals in der Schule eine zeitlang. Letztere Sorge tritt vor allem in Gruppensituationen auf (Mannschaftsport, Gruppenprojekte und Ähnliches).
Andere missverstehen dieses Verhalten manchmal, deuten es als Arroganz (Warum will sie nicht mit uns reden? ). Gerne würde ich in diesen Situationen erklären, dass dem gar nicht so ist, dass es Angst und nicht Ablehnung der/des Anderen ist, die dahinter steht, aber wie?
Ich finde es schwer, sie in Worte zu fassen, diese Angst.
Liebes Nebelherz, ich kann einiges nachvollziehen, von dem, was du hier schreibst. Ich leide selbst auch unter der Angst, vor anderen Menschen zu sprechen – ich unterhalte mich gerne nur mit einer Person oder vielleicht auch zweien. Aber sobald es mehrere sind, kommt bei mir häufig Unsicherheit auf und ich mache mich gedanklich selbst fertig: „Die lachen mich bestimmt aus, denken sich, was erzählt denn die für einen Quatsch.“ Das führt dazu, dass ich mich in einer Gesellschaft, in der ich mich nicht 100%ig wohlfühle, zurückziehe, wenig erzähle. Man mag mich dann auch für arrogant halten, so wie du es beschrieben hast. Ich fahre aber gut damit, diese Dinge offen anzusprechen – zumindest tue ich es bei Menschen, die mir wichtig sind. Bei anderen versuche ich die Haltung einzunehmen, dass sie doch denken sollen, was sie wollen. Man muss sie nicht jedem gegenüber erklären und rechtfertigen. Aber ich weiß, dass das leichter gesagt ist, als getan – ich will eigentlich auch von jedem geliebt werden. Da hilft mir dann aber auch zu sagen: Du selbst magst doch auch nicht jeden anderen auf dieser Welt, also erwarte das auch nicht von den anderen dir gegenüber. Ich wünsche dir einen schönen, möglichst angstfreien Tag! 🙂
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Liebe Judi,
danke, dass du über deine Erfahrungen berichtest hast!
Die EInstellung, die du beschreibst, finde ich sehr gesund. Ich versuche, sie mir auch anzugewöhnen – im Moment bestimmt mich leider oft noch die Angst vor Ablehnung und der Wunsch, geliebt zu werden, auch von Menschen, die mir gar nicht (so) nahe stehen (wieso eigentlich?).
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