Duell in den Abendstunden

Meine Stimmung befindet sich glücklicherweise seit ein paar Tagen wieder auf einem guten, stabileren Niveau. Klack – Depressionsschalter wieder deaktiviert! „Depressiv? Ich doch nicht, das war nur ein böser Traum, der ein paar Jährchen angedauert hat …“ (Schön wäre es ja …).

Ich hatte viele gute, lebenswerte Momente in der vergangenen Woche, Spaß und Freude und konnte einiges von meiner To Do-Liste abhaken.  Es wuchs aber auch meine Nervosität angesichts der nahenden, dieses Semester ziemlich umfangreichen Prüfungen und eines bevorstehenden Umzugs, der mit ambivalenten Emotionen verbunden ist.  Gleichzeitig kamen nach längerer Ruhephase auch bestimmte unangenehme Erinnerungen hoch und zack –  das Zwangsmonster witterte seine Chance, Unheil zu stiften, denn Stress lockt es seit jeher an. Und schon befanden das Monster und ich uns die letzten Tage über in einem Kampf um die Kontrolle.

Gestern Abend erreichte unser Duell einen vorläufigen Höhepunkt. Mittels seiner Lieblingswaffen (Verlust-)Angst, Schuldgefühlen und Selbstabwertung schaffte es das Zwangsmonster, mir gehörig einen über die Rübe zu hauen. Zur Verstärkung rief es noch seinen Freund Trichtotillomanie dazu.

Das war alles sehr unschön und erzeugte eine Panikspirale, der ich mich nicht gut widersetzen konnte. All die Waffen, die ich mir in der Therapie zur Verteidigung erarbeitet hatte, erschienen mir in diesem Moment als unzureichend. Ich fühlte mich ganz klein und ohnmächtig angesichts des Zwangsmonsters. Geschickt schaffte es es, meine Gedanken in die von ihm beabsichtigte Richtung zu lenken: „Oh Gott, ich verliere die Kontrolle über mich. Ich muss ein furchtbarer Mensch sein. Dieser Zustand wird niemals aufhören.“ Irgendwann wechselte ich dann in den Nichts mehr Denken, nichts mehr Fühlen wollen-Modus, fand mich weinend in meinem Bett wieder und wünschte mir meinen Partner herbei, meine Eltern , meine Therapeutin, meinen Arzt, alternativ auch meinetwegen den Weihnachtsmann oder Pikachu. Wenn nur bitte irgendjemand das Monster für mich erledigen konnte! „Macht, das es aufhört, bitte!“ Gleichzeitig schämte ich mich vor mir selbst für dieses kindische Denken, für meine Schwäche, das Monster allein zu vertreiben. Mein innerer Kritiker lief deswegen auf Hochtouren.

Ich war froh über die Nacht, in der mein Kopf sich nicht mehr anfühlte wie unablässig ratternde Maschine und die Angst, die mir vorkam, als würde sich mich verschlingen, endlich endete. Nicht mehr das Quälende denken oder fühlen zu müssen, stattdessen nur Ruhe.

Heute mit etwas Abstand kann ich schon klarer sehen, was da genau passiert ist und verstehe etwas besser, wie es dazu kommen konnte. Eine Anspannung hatte sich aufgebaut die letzten Tage über, ich habe Grenzen überschritten, anstatt auf wahrgenommene Warnsignale meines Körpers und meiner Psyche zu reagieren. Vielleicht habe ich mich auch ein bisschen verleiten lassen von meiner anhaltenden guten Stimmung, dem Gefühl, ich könnte auf einmal Bäume ausreißen.

Da, wo mich das Zwangsmonster erwischt hat, schmerzt es weiterhin. Aber der Schmerz ist jetzt eher dumpf. Ich bin froh über die noch bevorstehende Therapiestunde diese Woche und hoffe, meine Therapeutin und ich werden zusammen schauen, warum das Monster gestern so leichtes Spiel bei mir hatte und zusammen an meinen Strategien arbeiten, um ihm zu zeigen, wo der Hammer hängt.

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6 Kommentare zu „Duell in den Abendstunden

  1. Klingt voll schön das es wieder ein bisschen Bergauf ging und du wieder gute Momente für dich gefunden hast. Und auch wenn sich das negative wieder dann ein bisschen gezeigt hat hoffe ich das, es weiter Bergauf für dich geht!

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  2. Du bist doch die meiste Zeit stark genug deine Dämonen zu bekämpfen. in solchen schwachen Momenten oder wenn sie mich wieder ganz überfallen wollen, versuche ich immer ganz fest daran zu denken, dass ich es ja eigentlich kann. Hilft nicht immer, aber mir zumindestens manchmal. 😉

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    1. Hey, danke dir, dass ist ein guter und hilfreicher Gedanke! Werde ich auch mal probieren mit dieser Argumentation. Leider neige ich noch dazu, bei 5 guten und 1 schlechten Sache mich voll auf das, was nicht gut gelaufen ist, zu fokussieren anstatt umgekehrt. Aber ich arbeite daran 😉

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