Es läuft nicht gut mit der Vorbereitung für die zweite Prüfung. Mehrere Tage lang war ich blockiert und habe nichts dafür gemacht oder nur wenig. Die Klausur klappte gut und ich dachte, ich könnte den Schwung und die Freude darüber mit für die nächste Prüfung nehmen, aber die Angst bei dieser zu versagen lähmt mich. Ich tendiere stark dazu, den Termin abzusagen und aufs nächste Semester zu verschieben. Schriftliche Prüfungen machen mir nicht so viel aus, mündliche dagegen schon.
Vielleicht habe ich mir zu viel vorgenommen? Nach knapp 3 Monaten Klinik wieder in den Alltag finden, eine neue Arbeit. Therapie starten, Umzug zwischendurch. Zwei Modulprüfungen vorbereiten, eine davonn sehr umfangreich, erste Dosisreduzierung. Vielleicht bin ich aber einfach nur zu faul, zu schwach, habe mich zu wenig angestrengt, benutze meine Erkrankungen als Ausrede? In meinem Kopf ringen selbstabwertende Gedanken mit Verständnis.
Alles nur Rechtfertigungen für deine Faulheit. Denk an die finanziellen Konsequenzen, wenn du ein Semester dranhängen müsstet. Was denken die anderen von dir, wenn du es verschiebst ? Du hast schon im Bachelor länger gebraucht, welchen Eindruck macht das dann alles später bei Bewerbungen? Versager.
Haare ausreißen, es blutet, mir ist es egal. Das hast du verdient. Zwänge, Panikattacken, Angst. Schau dich doch an. Du bist unzureichend.
Mit meiner Therapeutin hatte ich abgesprochen, die Prüfung trotzdem mitzumachen, es einfach zu versuchen. Es gibt ja schließlich drei Versuche. Aber die Vorstellung durchzufallen, ertrage ich nicht gut. Auch nicht, knapp mit 3, x oder 4,0 zu bestehen. Ich definiere mich noch immer viel zu sehr über Leistung, bin nur zufrieden mit einer 1 vorm Komma, 2-er Bereich ist auch noch okay, aber schon nicht mehr optimal.
Aber was man hat, das hat man, später zählen Noten eh nicht mehr so viel nach der Uni, da kommt es auf anderes an.
– Ich weiß, aber sag das dem Perfektionismus in mir, der mich erdrückt.
Ich schäme mich allen zu sagen, dass ich es nicht kann gerade. Familie, Freunden, Partner, Therapeutin. Ich wollte doch, dass sie stolz auf mich sind, dass ich selbst stolz auf mich sein kann. Mir selbst zeigen, dass ich mich weiterentwickelt und viel dazu gelernt habe. Eine normale Studentin sein ohne den Anhang an Symptomen und Co.
Es geht mir nicht gut, ich laufe im Stand By-Modus, die Depressions-Alarmglocken klingeln. Oder traue ich mir nur zu wenig zu? Ich bin wirklich müde.
Gut zu sich sein wird überall für solche Phasen geraten. Ich sehne mich nach innerer Ruhe, einen Absinken der Anspannung. Auf der Arbeit stehen neue Projekte bevor, dafür gibt es noch einiges vorzubereiten. Dann die zweite Dosisreduzierung, die ich demnächst in Angriff nehmen wollte wegen der Nebenwirkungen.
Konstruktive Lösung? Ich könnte die Prüfung aufs nächste Semester verschieben und dann um einen vorzeitigen Prüfungstermin bitten, damit ich nicht sechs Monate warten muss. Der Dozent würde das sicher verstehen, er hatte es mir schon ein Mal angeboten, als ich meine gesundheitliche Lage grob angerissen hatte, ohne Diagnosen zu nennen natürlich. Aber schämen würde ich mich trotzdem. Ich will voll leistungsfähig sein, keine Extrabehandlung brauchen.
Akzeptanz statt sich gegen das Gegebene wehren, das war und ist doch mein Vorsatz. Selbstfürsorge. Liebevoller mit mir umgehen.
Aber woran soll ich erkennen, ob ein Rücktritt gut für mich wäre oder nur krankheitstypisches Vermeiden bedeuten würde? Das Aufschieben einer Sache verstärkt die Angst vor dieser. Bliebe nach dem Verschieben aufs nächste Semester nicht das Gefühl, feige gekniffen zu haben?
Aber ich will mich auch nicht vor dem Dozenten blamieren, bei dem ich meine Masterarbeit schreiben möchte und bisher nur sehr gute Ergebnisse hatte.
Was, wenn ich mich die nächsten Tage einfach ganz doll zusammenreiße und so viel ich kann lerne, vielleicht könnte ich es doch noch schaffen? Wie stolz ich dann wäre, das Regelpensum geschafft zu haben!
Ich möchte ein Sonnenstrahl sein, hell und leicht …
Ich kann einiges davon so gut verstehen. Die Antriebslosigkeit, die „Schuldgefühle“, die man sich einredet, das Gefühl, stark sein zu müssen und feige zu sein, wenn man es nicht sein kann (die Scham…), den Notendruck, den man sich macht, die Überlegung, etwas zu verschieben, weil man es nicht mehr packt. Ich will nicht behaupten, meine Situation mit deiner vergleichen zu können – kann ich auch nicht. Aber einiges kommt mir bekannt vor. Fühl dich gedrückt!
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Aber lass dir gesagt sein: wenn es nicht geht, geht es nicht. Man kann nicht immer stark sein, man muss nicht immer stark sein. Leichter gesagt, ich weiß. Vor allem weil ich gerade selbst mit mir hadere, die zweite Hausarbeit sausen zu lassen bzw. um einen spätere Frist zu bitten. Aber ich habe Angst, der Dozetin gegenüber Schwächen einzugestehen aus Angst, es könnte sich nachteilig auf Zukünftiges auswirken, denn ich werde noch einiges mit ihr zu tun haben.
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Ich danke dir! Verständnis allein tut schon so gut, ich denke irgendwie immer, nur mir geht es, dabei weiss ich natürlich, dass es nicht so ist.
Alles Gute für deine HA!!
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Vielen Dank! Und mir tut es gut zu wissen, dass noch andere mit sowas hadern. Ich bin gerade tatsächlich ernsthaft am Überlegen, die zweite Hausarbeit zu verschieben, habe aber noch Angst vor der Reaktion der Dozentin. Ich habe gerade eine Freundin nach ihrer Meinung gefragt, da sie weiß, wie es mir geht und ich von ihr dieses Verständnis bekomme, das so gut tut. Die erste mach ich auf jeden Fall fertig, aber ich glaube, für die zweite habe ich einfach keine Kraft mehr in der kurzen Zeit, die mir noch bleibt.
Dir wünsche ich auch alles Gute und du wirst das Richtige tun!
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Falls es dich interessiert und dir hilft: ich habe soeben die E-Mail mit der Bitte um eine Nachfrist an die Dozentin abgeschickt. Unangenehm ist es natürlich, aber ich habe auf mich selbst gehört. Auf meinen Körper, auf meine Psyche. Es ist das Richtige, wenn man es für seine Gesundheit tut. Und kein Zeichen von Schwäche (wie ich persönlich eigentlich finde), sondern im Gegenteil ein Zeichen von gewisser Stärke und Mut, wenn man es sich eingesteht und zugibt. Manchmal stößt man an seine Grenzen und wenn man einfach spürt, dass es gerade nicht mehr geht, dann ist das auch keine Ausrede, sondern einfach Tatsache. Ich möchte dich damit natürlich nicht in deiner Entscheidung beeinflussen, sondern denke mir, vielleicht nützt es dir ja einfach was für die Sichtweise.
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Liebe Tempest,
danke, dass du mir bescheid gesagt hast, wie du dich entschieden hast! Ich finde du kannst stolz sein, jetzt eine Entscheidung getroffen zu haben!
Du hast definitiv Recht, es erfordert viel Mut und Kraft, seine (momentanen) Grenzen anzuerkennen, tut auch manchmal weh zu sehen, dass etwas, was man so gern schaffen wollte, im Moment noch nicht möglich ist. Aber im Moment heißt ja nicht für immer, man kann daraus lernen und Erfahrungen für das nächste Mal mitnehmen.
Ich bin noch nicht ganz so weit, mich zu entscheiden und habe mir jetzt morgen als Stichtag gesetzt.
Alles Liebe,
Nelia
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Liebe Nelia,
danke für deine Antwort. Ja, ich bin schon froh darum, dass ich mich so entschieden habe, auch wenn ich noch Angst vor der Antwort der Dozentin habe. Aber es ging einfach nicht mehr anders. So ist das jetzt nun mal.
Ich hätte es wirklich gerne „hinter mich gebracht“, aber dann muss das jetzt einfach noch warten. Wie du richtig sagst, es ist nicht für immer. Es ist nur für einige Tage aufgeschoben.
Und hoffentlich läuft es nächstes Semester anders, das würde ich mir wünschen.
Du wirst schon das Richtige tun! Fühle in dich, du wirst merken, was du schaffen kannst. Ich wünsche dir auch ganz viel Kraft für die morgige Entscheidung!
Alles Liebe dir auch!
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ich kann vieles, was Du schreibst, sehr gut nachvollziehen, die Gefühle kenne ich, auch wenn ich lange nicht mehr im Studium stecke. Ich könnte mir gar nicht vorstellen, bei meiner Krankheitssituation überhaupt ein Studium zu absolvieren. Also – ich habe großen Respekt vor Dir 🌻
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Liebe Agnes,
ich danke dir! Es hilft mir wirklich zu lesen, dass andere (ehemalige) Studenten ähnliche Erfahrungen aus ihrem Studium kennen. Zumal ich mich in einem ähnlichen Fachbereich bewege wie du (hatte ich mal auf deiner Selbstvorstellung in deinem Blog gelesen ;-)).
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Liebe Nelia,
das kommt mir doch ziemlich bekannt vor. Ich war im Studium genau so ehrgeizig wie du, wollte immer nur beste Noten und wäre lieber durchgefallen als eine 4 zu haben. Meine Mitstudenten hielten mich glaub für meschugge, denn die waren schon happy, wenn sie durch waren. Es gab eine Situation, in der ich die Prüfung aus einer Panik heraus, die du gerade durchmachst, verschieben wollte. Ich konnte kaum was, hab total auf Lücke gelernt und dann doch mitgeschrieben. Hinterher war ich so sicher durchgefallen zu sein, aber auch erleichtert, dass es vorüber war. Im Endeffekt wurde es sogar noch eine 3 – meine schlechteste Note im Studium. Aber weißt du was? Es juckt jetzt gar keinen mehr. Okay mein Schnitt sank am Ende auf 1,7 ab, aber es juckt eben keinen.
Falls du es schaffst wenigstens einen kleinen Teil zu behalten, ganz ohne Stress, dann probiere dich aus. Sieh es als Übung. Wenn du durchfällst, dann hast du weitere Erfahrungen in der mündlichen Prüfung gesammelt. Wenn du bestehst, dann umso besser.
Annie
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Liebe Annie,
auch dir ein großes danke für´s Berichten über deine Studiumserfahrungen! Wenn ich das hier so lese, schein Perfektionismus ein verbreitetes Problem bei Menschen, die unter Depressionen leiden und studieren zu sein …
Ich finde, 1,7 ist ein toller Gesamtschnitt, an sich und noch mehr, wenn man berücksichtigt, dass du das Studium mit Depression geschafft hast, herzlichen Glückwunsch dazu! 🙂
Ich bin mir noch sehr unsicher, was ich tun soll und habe mir morgen als Stichtag für eine Entscheidung gesetzt. Höchstwahrscheinlich werde ich aber verschieben, denn inzwischen habe ich die Frist für die Vorstellung des geforderten Thesenpapiers leider versäumt.
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