Jetzt hat mich die allgegenwärtige Erkältungswelle also auch erwischt und ich bleibe heute zuhause. Daraufhin meldete sich direkt das schlechte Gewissen, hatte ich meinem alten Arbeitgeber doch vor einiger Zeit schon zugesagt, die Vertretung für eine Kollegin zu übernehmen. Mit Schwindel, Glieder- und Kopfschmerzen arbeitet es sich allerdings weniger gut … So siegte dann doch die Vernunft und versucht, dem überkorrekten, stets auf Pflichterfüllung pochenden Anteil in mir, der zudem noch möglichst jedem gefallen und niemanden vor den Kopf stoßen will, gerade die Leviten zu lesen:
Du bist nicht faul, sondern krank. Es ist egal, was deine Chefin jetzt denkt, da du eh den neuen Arbeitgeber hast und nur noch kurzzeitig beim alten tätig bist. Du wolltest doch lernen, mehr auf deine Bedürfnisse zu achten und weniger Angst vor einer negativen Beurteilung durch andere haben!
Vom Körperlichen abgesehen geht es dagegen gut seit einigen Tagen. Ziemlich gut sogar.
Ich staune mal wieder über die Verwandlung, über den teils plötzlichen Wechsel von meinem sehr depressiven Ich hin zu einer Version meiner selbst, die viel weniger grübelt und zwängelt und Angst hat, dafür aber spürbar mehr Energie und Motivation. Die sich trotz Prüfungssstress und der ein oder anderen zusätzlichen Baustelle den Großteil des Tages über gut und in sich ruhend fühlt. Ich lernte für´s Studium, arbeitete, bereitete mich auf Vorstellungsgespräche vor, erledigte Routinekram… Dinge, die man eben im Alltag als Studentin so tut. Was Anfang des Jahres aufgrund der ausgeprägten Symptomatik in dieser Form nicht möglich gewesen wäre, funktioniert nun. Zack, als wäre ein Schalter in meinem Kopf umgelegt worden.
Dieses Empfinden kenne ich schon von vergangenen depressiven Episoden. Es ist nicht zu vergleichen mit normalen Stimmungsschwankungen. Im Gegenteil, es sind zwei ganz andere Welten, mein depressives und mein gesundes Empfinden und Erleben. Ich bin nicht symptomfrei, aber ich fühle mich gerade trotzdem gut und so leistungsfähig wie seit längerem nicht mehr. Ja, ich bin manchmal müde, lustlos, traurig oder gereizt, aber das alles im normalen Rahmen. Nicht auf diese typische depressive Weise, die alles unendlich ins Negative zu verzerren droht und an der Seele frisst. Ich spüre Lebensfreude und Zuversicht.
Ob dem so bleibt bzw. wie lange das anhält?
Mit dieser Frage habe ich mich jahrelang immer wieder selbst unter Druck gesetzt und bin in sinnlose Grübeleien und Zukunftsangst verfallen. Das möchte ich jetzt nicht mehr. Ich versuche, es nicht mehr auf diese Weise zu betrachten, sondern dieses Stabilitätsgefühl einfach zu genießen, solange es da ist. Weiterhin achtsam zu sein und nicht wie in der Vergangenheit schon einmal geschehen der Versuchung nachzugeben und zu denken, ich sei jetzt für immer gesund und müsse weniger auf mich achten. Nach mehreren schweren depressiven Episoden und mit der Zwangsstörung, die erfahrungsgemäß länger mal zurückgestellt war, dann aber irgendwann wiederaufflammte, wäre das wohl leichtsinnig und naiv. Oder nicht? Wie weit darf ich hoffen auf Heilung? Es kommt mir im Moment fast vor, als sei der Klinikaufenthalt Ende letzten Jahres nur ein ferner Traum gewesen. Ich fühle mich gerade so leicht, so energiegeladen bis auf die Erkältung.
In diesem Sinne also: Carpe diem oder so 😉
Ich wünsche auf jeden Fall eine große Packung Tempos und wenig Kopfschmerzen. Erhol Dich gut und höre auf Deinen Körper.
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Danke 🙂 Mein Partner hat mich gerade schon mit Tee betüddelt, so kann es gerne weitergehen den Tag über 😉
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Gute Besserung! 🙂
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Ich wünsche dir, das es so möglichst lange weitergeht. Kopf hoch, auch wenn es sich vielleicht banal anhört.
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Vielen lieben Dank, Christoph!
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das freut mich sehr zu lesen 🙂 🙂 🙂
und die Erkältung bist Du auch bald los. Das machst Du ganz richtig: zu Hause bleiben und Dich kurieren.
Liebe Grüße
Agnes
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„Du wolltest doch lernen, mehr auf deine Bedürfnisse zu achten und weniger Angst vor einer negativen Beurteilung durch andere haben“…Damit bist du nicht allein. 😉
Für mich ist es eine Lebensaufgabe auf meine körperlichen und psychischen Bedürfnisse zu hören, denn ich bin leider sehr gut im Ignorieren…
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Danke, es tut gut zu lesen, damit nicht allein zu sein 😊 Wahrscheinlich gestaltet sich das ganze Unterfangen längfristiger als ich ursprünglich annahm, von wegen „Mal eben alte ungesunde Muster über Bord werfen“.
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