Angemeldet!

Geschafft – ich habe meine Anmeldeunterlagen für die stationäre Therapie in einer auf Zwangsstörungen spezialisierten psychosomatischen Klinik abgeschickt und warte nun auf Rückmeldung.

Zuvor hatte ich das Ausfüllen der Formulare wochenlang vor mir hergeschoben. Es war mal wieder typisch für mich: Ich weiß im Voraus, dass mir eine bestimmte Sache gut tut/tun wird, schiebe sie dann aber trotzdem immer wieder auf. Mit einem kleinen Anstupser von Seiten meiner Therapeutin in der letzten Therapiestunde hat es nun aber geklappt. Dabei kam auch die Frage auf: Wovor habe ich da eigentlich Angst?

Gute Frage, die ich gar nicht so einfach beantworten kann. Ich vermute, da kommt Verschiedenes zusammen:

  • meine generelle Ängstlichkeit in Bezug auf fremde Menschen und neue soziale Situationen
  • dass sich die Klinik relativ entfernt von meinem Wohnort befindet und mich mein Mann, meine Familie und meine Freunde dann nicht mal einfach so eben besuchen können. Die Fahrtkosten werden auch zu hoch sein, um jedes therapiefreie Wochenende zuhause zu verbringen. Der regelmäßige Kontakt mit meinen Lieblingsmenschen ist etwas, dass mir bei meinen beiden vorausgegangenen stationären Behandlungen oft Kraft gegeben hat. Darum sehe ich dem Wegfallen davon mit einigem Bauchgrummeln entgegen.
  • widersprüchliche Gefühle und Gedanken in Bezug auf die Therapie dort. Einerseits die blödsinnige Befürchtung, nicht krank genug zu sein (dass die Mitarbeiter denken könnten, was ich dort will, gibt es doch noch Patienten mit schlimmer ausgeprägten Zwängen als bei mir. „Hey, Erde an Nelia: Du hast eine seit 15 Jahren bestehende Zwangserkrankung, eine Angsterkrankung und mehrere schwere depressive Episoden hinter dir – warum glaubst du, dass das nicht reicht?“).  Und : Wenn es mir dort in der Spezialklinik nichts bringen sollte? Wenn, wenn wenn –
  • Und, um es noch widersprüchlicher zu machen: Einerseits will ich die Zwangserkrankung, die Depression und Co. loswerden, andererseits habe ich aber auch genau davor irgendwie Angst. Die Vorstellung eines zwangsfreien, depressionsfreien Lebens ist so schön – und gleichzeitig beängstigend, weil ich so ein Leben nun schon seit Jahren nicht mehr hatte bzw. wenn, dann nur phasenweise. Was bleibt, wenn meine Erkrankungen wegfallen? Bin ich überhaupt stark und mutig genug, um mit meinen Gefühlen und dem unvermeidlichen Auf und Ab des Lebens ohne Zwänge, Trichotillomanie und meine anderen ungesunden Bewältigungsstrategien umzugehen?
  • Bammel vor den Expositionsübungen, von denen ich weiss, dass sie dort ein wichtiges Fundament der Therapie bilden und mir aller Wahrscheinlichkeit nach sehr helfen werden (das haben sie in der Vergangenheit nämlich schon), aber eben auch mordsanstrengend sind, da man mit seinen Ängsten und schlimmsten Zwangsgedanken konfrontiert wird.

Im Nachhinein fällt mir selber auf, in diesem Post steckt verdächtig oft das Wort Angst … Stimmt, da war ja was, hallo Angsterkrankung 😉

Das liest sich jetzt alles wohl eher recht negativ. Aber ich kann ehrlich sagen, dass ich trotz aller Angst auch mit Hoffnung und Motivation hoffentlich im nächsten Jahr dort hingehen werde: Hoffnung und Motivation auf/für noch mehr Lebensqualität, mehr Leichtigkeit und weniger Schwere in meinem Leben. Ich möchte lernen, mich selbst anzunehmen, so wie ich eben bin und zu mögen. Ich möchte glücklicher werden, noch mehr leben statt zu überleben oder einfach so vor mich hinzuleben. Tschakka!

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16 Kommentare zu „Angemeldet!

  1. Ersetze die Zwangserkrankung durch Essstörung, und das waren eins zu eins meine Gedanken, als ich vor zwei Jahren wieder in die Klinik ging (von der Distanz zu meinem Wohnort abgesehen; die Klinik war nur ca. Autominuten entfernt).
    Ich hatte damals seit über 15 Jahren eine schwere Essstörung, und ich hatte Angst, nicht krank genug zu sein („andere sind viel dünner als du, viel kränker als du, viel hilfloser als du – du verdienst den Platz gar nicht, und erstnehmen wird dich auch keiner!“). Gleichzeitig hatte ich Angst davor, dass man mir sagen könnte, die Essstörung habe sich so sehr chronifiziert, dass ich keine Heilung mehr erwarten könnte (das habe ich tatsächlich zuvor in jeder Klinik und von unzähligen Fachpersonen gehört). Und dann war da auch noch dieser verdammte Widerspruch zwischen gesundwerden wollen und die Krankheit nicht loslassen können, weil die Angst vor einem Leben ohne sie riesig war.
    So.
    Niemand in der Klinik zweifelte daran, dass ich Hilfe verdiente und brauchte. Im Gegenteil: Ich wurde von der ersten Minute an ernstgenommen und nicht ein einziges Mal mit irgendwelchen anderen Patienten verglichen.
    Sowohl meine Therapeutin als auch meine Bezugspfleger und die Leiterin der Essstörungsgruppe haben von Anfang an daran geglaubt, dass ich es schaffen kann, die Essstörung zu besiegen, egal, wie lange sie schon dauert (und das schaffen statistisch gesehen gerade mal 30% aller Patienten).
    Und sie alle haben mich darin bestärkt, es zu versuchen. Ich hatte Angst, Panik teilweise (und das ohne Angststörung), weil meine Gefühle so heftig waren, dass ich nicht glaubte, sie ohne die regulierende Essstörung ertragen zu können. Aber ich konnte. Nicht von Anfang an, und es gab Rückfälle, aber ich habe es mit der Zeit gelernt. Habe Strategien entwickelt, um meine Emotionen anders zu regulieren als durch Essanfälle, und mittlerweile brauche ich diese Strategien oft gar nicht mehr, weil ich auch sehr intensive Gefühle ertragen kann.

    Und das kannst du ebenfalls schaffen. Egal, wie lange die Krankheit schon andauert und wie stark sie ist: Du bestimmst, ob du gesund wirst, nicht die Statistik. Es ist dein Wille, der entscheidend ist, und wenn ich so lese, wie sehr du bereit bist, hinzuschauen, dann glaube ich fest daran, dass du diesen Willen dazu hast. Es braucht Mut, eine Krankheit loszulassen, denn trotz des Leids bietet sie auch Halt, Sicherheit und Schutz vor irgendwas. Aber es ist möglich, ohne Krankheit zu leben. Am Anfang wird es richtig übel. Aber mit der Zeit fühlt es sich immer besser an. Und nach über einem Jahr Gesundheit kann ich sagen, dass der Kampf sich gelohnt hat.
    Das wünsche ich dir auch. Und viel Kraft für den schweren Weg, der vor dir liegt. Du schaffst das (auch mit Expos: Die hatte ich beim Essen fünf Mal täglich, und mit der Zeit nimmt die Angst tatsächlich ab)!
    Alles Liebe
    Elín

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    1. Besser als Elín kann ich es nicht ausdrücken! Meine Erfahrung zeigt auch: Wenn Du es wirklich willst, dann spüren das die Menschen um Dich herum sehr genau. Und Du wirst genau die Hilfe erhalten, die Du in diesem Moment benötigst. Diese Angst vor einer Reise, nämlich die zu Dir selber, macht Angst. Aber Du bist doch eigentlich schon mittendrin und dieser Schritt jetzt ist eine logische Konsequenz. Et zeigt Deine wachsende Selbstliebe unf dir wird eine der größten Motivatoren suf Deinem Weg zur Heilung sein! Du kannst sooo stolz auf Dich sein! Alles Gute Simone

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      1. Liebe Simone,
        das ist ein toller Gedanke, dass die Menschen, die dann dort um mich herum sind, meine Motivation und meinen Willen spüren werden und ich dann das an Unterstützung bekomme, was ich gerade brauche. Ich hoffe, so wird es kommen …
        Danke dir!

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    2. Liebe Elín,
      danke, danke, danke für deinen Kommentar! Du glaubst gar nicht, wie viel Mut er mir gestern und heute wieder beim Lesen gemacht hat. Weil du einen ganz ähnlichen Weg wie ich ihn vorhabe, gegangen bist, weil du es geschafft hast, weil du mich ermutigst und das alles noch in so schöne Worte verpackst. Danke …

      Ich habe inzwischen schon von einigen Ärzten gehört, dass die Chance auf eine komplette Heilung von Zwangserkrankungen bei circa einem Drittel liegen soll und mehr oder weniger konkrete Andeutungen, dass ich mit meinem bisherigen Krankheitsverlauf wohl eher nicht dazu gehören werde. Zack – das tat weh. Und weckte noch einige andere Gefühle, sogar auch irgendwie Erleichterung nach dem Motto „Okay, wenn es bei mir nicht heilbar ist, kann ich auch nicht versagen und habe keine Schuld, wenn es mir nicht besser geht. Paradox oder? Es verleitete mich zur Resignation.
      Meine Therapeutin und mein neuer Arzt scheinen dagegen an mich zu glauben und machen mir Mut, dass ich es schaffen kann, ganz gesund zu werden. Und auch dieses Mut Machen weckt verschiedene Gefühle … Stolz, Hoffnung und Aufregung – „Da glaubt jemand an mich und mein Potential! Ich bin kein hoffnungsloser Fall!“. Aber auch Angst – „Was, wenn ich es nicht schaffe? Dann enttäusche ich nicht nur mich selbst, sondern auch die beiden. Wenn ich es nicht schaffe, gesund zu werden, dann weil ich zu schwach/faul/feige usw. bin, denn man traut es mir ja zu.“.
      Gefühlschaos …
      Aber ich werde diesen Weg gehen und einfach mein Bestes versuchen, egal, was am Ende dabei herauskommt.

      Alles Liebe ♥

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      1. Liebe Nelia,

        es stimmt mich traurig, ja macht mich fast sogar wütend, dass es da noch immer Ärzte/Therapeuten gibt die glauben (und das ihren Patienten auch noch sagen) dass sich Heilung an statistischen Daten festmachen lässt. Ob diese wohl wissen wie es sich anfühlt wenn Hoffnung zerschlagen wird?

        Für mich persönlich ist Heilung etwas ganz individuelles , etwas das von so vielen verschiedenen Faktoren abhängt, dass es sich schlussendlich nicht in Gänze erfassen lässt. Was man jedoch sicherlich dazu braucht ist Hoffnung, weshalb ich es so wichtig finde, dass man diese nicht verliert und sie sich auch von nichts und niemandem nehmen lässt.

        Ich glaube, liebe Nelia, dass wir auf unserem Weg gesund zu werden nichts falsch machen können. Wir können nur unser Bestes geben und versuchen darauf zu vertrauen, dass alles weitere sich finden wird.

        Was die Angst vor dem „gesund werden“ anbelangt, ich kann sie gut nachfühlen und ich denke sie gehört auch ein Stück weit mit dazu. Wenn man lange krank ist (egal ob seelisch oder körperlich) weiß man irgendwann nicht mehr wie ein gesundes Leben sich anfühlt, was dann auf einen zukommt und wie man das was einen erwartet „managen“ soll.

        Man betritt quasi Neuland und wo immer wir Menschen fremdes Terrain betreten, sitzt die Angst mit im Boot. Im Grunde vielleicht gar nicht so verkehrt , bedenkt man dass diese Angst uns ja auch davor schützen kann, die Dinge überstürzt anzugehen, uns zu überfordern.

        Ich bin sicher Du wirst , wenn es an der Zeit ist, einen Weg finden um mit ihr umzugehen. Die Offenheit und Ehrlichkeit die Du hier zeigst und mit der Du Dir selbst begegnest, werden Dich auf jeden Fall dabei unterstützen gesund zu werden.

        Meine Daumen sind fest gedrückt
        Liebe Grüße und alles Gute
        Daniela

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  2. Ich bin jetzt genau zwei Monate aus der Tagesklinik draußen und eineinhalb Monate im Job und würde am liebsten sofort stationär in eine Klinik gehen, die so weit wie möglich weg von meiner jetzigen Umgebung ist. Klar würde ich meine Frau und die Katzen vermissen, aber eben alles andere nicht. Aber bevor ich nicht wieder zusammenbreche, werde ich wohl keine Einweisung bekommen. Deine Ängste kann ich gut nachvollziehen, ging mir so schon bei meinem „Einzug“ in die Tagesklinik. Und einfach wird es für Dich ja auch nicht, es wird sicher richtig Arbeit, aber denk dran, Du machst das für Dich und das ist das wichtigste. Alles gute für deinen Aufenthalt. LG

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    1. Das tut mir leid zu lesen, dass du momentan so zu kämpfen hast. Eine Klinik weit(er) weg vom Wohnort kann sicher auch Vorteile haben, je nach Charakter und individueller Situation des Einzelnen.

      Danke dir, ich werde versuchen, mir immer wieder vor Augen zu führen, dass ich das alles für mich mache und niemand anderen!

      Liebe Grüße

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  3. Ich kann deine Unsicherheiten sehr gut nachvollziehen. War zwar noch nie stationär in einer Klinik, aber die Ängste kenne ich gut.
    Auf jeden Fall toi toi toi, dass alles klappt und Gratulation zu dieser mutigen Entscheidung! Immerhin hast du es ja geschafft, einen Teil deiner Ängste bereits zu überwinden und dich überhaupt dort anzumelden 🙂

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  4. Finde ich grandios, dass du die Anmeldung geschafft hast. Dass es dich enorme Überwindung gekostet hat, kann ich sehr nachvollziehen. An diese Behandlung sind ja so viele Ängste und Hoffnungen geknüpft, die du nicht enttäuscht sehen möchtest. Ich wünsche dir nur, dass du mit offenem Herzen und Geist daran gehen kannst und Schritt für Schritt machst. Liebe Grüße!

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    1. Ich danke dir 🙂 Schritt für Schritt klingt nach einem sehr guten Motto, da ich alte Perfektionistin und Angsthase automatisch immer gleich das große ganze Ziel im Blick habe, wenn ich nicht aufpassen, und mir dadurch selbst wahnsinnig viel Druck und Ängste aufbaue.

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  5. Es ist toll, dass Du Dich durchringen konntest, Dich endlich anzumelden und ich drücke Dir die Daumen, dass Du dort einen Platz bekommst und in nicht allzuferner Zukunft.
    Deine Gedanken über die damit verbundenen Ängste kann ich ausgesprochen gut nachfühlen. Besonders die Frage: was bleibt von mir ohne die Erkrankung, die ja so ein Teil von mir geworden ist und mein Leben bestimmt hat? Eine starke Frau, eine kluge Frau, einfühlsame Frau, eine Kämpferin!
    Alles Liebe für Dich!
    Agnes

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    1. Vielen lieben Dank! Solange ich einigermaßen stabil bin, möchte ich bis zu den nächsten Semesterferien mit dem Aufenthalt warten, um die Prüfungen nicht zu verpassen. Sollte es sich akut verschlechtern, würde ich aber auch eher hin, sofern ich einen Platz dort bekäme natürlich.
      Deine netten Worte über mich haben mich berührt, ich danke dir, liebe Agnes!

      Gefällt 1 Person

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