Theorie und Praxis

Es ist ein Unterschied, ob du in der Ausbildung theoretisch über den Umgang mit Suizidalität und Suizidversuchen sprichst oder in der Praxis damit konfrontiert wirst durch Patient*innen, zu denen du vielleicht einen besonderen Draht aufgebaut hast.

Ich wusste, dass ich irgendwann unweigerlich auf der Arbeit mit dieser Thematik konfrontiert werde; die Frage war nie ob, sondern wann. Das gehört zu diesem Arbeitsfeld eben dazu, genauso wie z. B. Fremdgefährdung ein Thema werden kann. Wobei Letzteres bei uns auf Station sehr selten vorkommt, würde ich behaupten. Ersteres dagegen häufiger, weil zu uns vor allem Menschen mit Depressionen kommen und Suizidalität nun einmal nicht selten ist im Rahmen von depressiven Störungen.

Als Berufsneuling habe ich noch nicht die Routiniertheit und Professionalität meiner Kolleg*innen im Umgang mit solchen besonderen Situationen. Deswegen waren die letzten Arbeitstage für mich mit emotionalen Augenblicken versehen und ich übe mich noch darin, damit umzugehen. Dabei hilft besonders Selbstfürsorge nach Feierabend und auch der Austausch mit Menschen, die im gleichen beruflichen Kontext tätig sind. Und auch, mir zu sagen: Es ist okay, wenn mich derartige Situationen berühren (solange sie mich nicht überwältigen), denn ich bin ein fühlender Mensch und keine Maschine.

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Was machst du als Genesungsbegleiterin eigentlich so den Tag über?

Eine Frage, die ich so oder ähnlich formuliert öfters höre, wenn das Thema in einem Gespräch irgendwann auf’s Berufliche kommt. Und eine, die ich gut nachvollziehen kann, schließlich ist das Berufsbild noch relativ neu und daher vielen Menschen unbekannt. Für alle, die es interessiert, hier also die Antwort!

Als Genesungsbegleiterin bin ich Teil des multiprofessionellen Behandlungsteams unserer Station und nehme dementsprechend an der Teambesprechung, Übergaben und der Supervision teil, idealerweise auch an der Visite. Dabei bringe ich meinen Eindruck von den jeweiligen Patienten und meine Ex-In-Perspektive auf die Dinge dort ein, wo es mir hilfreich erscheint.

Der wohl wichtigste Teil meiner Arbeit ist der direkte Kontakt mit Patienten, was in der Praxis unterschiedlich aussehen kann. So spiele ich z.B. mit Patienten Gesellschaftsspiele, begleite diejenigen auf einen Spaziergang, die sich das allein noch nicht zutrauen oder helfe beim Ausfüllen von Therapieunterlagen. Auf Wunsch führe ich auch Einzelgespräche zu verschiedenen Themen, die sich im Laufe der Behandlung ergeben können, z. B zum Umgang mit bestimmten Symptomen. Ich arbeite dabei vor allem auf Basis meines eigenen Erfahrungswissens. Manchmal ist es aber auch einfach nur der gute alte Smalltalk, wenn sich jemand einsam fühlt oder sich ablenken möchte.

Bei bestimmten Gruppen, die auf Station angeboten werden, unterstütze ich meine Kollegen von der Pflege in der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. Im Freizeitbereich habe ich schon eigene Gruppenangebote geleitet. Später, wenn ich mehr Erfahrung habe, möchte ich gerne Gruppen zu klassischen Ex- In-Themen wie Recovery anbieten. Gruppen und längere Einzelgespräche dokumentiere ich hinterher.

Daneben helfe ich bei täglichen Routineaufgaben, so gut ich kann. Von meinem Arbeitgeber her habe die Möglichkeit, Fortbildungen zu besuchen und regelmäßig stattfindende Treffen mit den anderen Genesungsbegleitern des Hauses.