Teilt man sich in der Klinik zu zweit ein Zimmer, bekommt man zwangsläufig persönliche Dinge von seinem Zimmernachbarn mit. So kommt es, dass ich schon mehrmals mithören konnte, wie meine Zimmernachbarin mit ihrem Mann telefoniert. Die beiden sind seit 47 Jahren zusammen und es rührt mich jedes Mal wenn ich höre, wie fürsorglich er mit ihr umgeht. Es berührt mich und es macht mich traurig. Ich wünschte, ich hätte auch so etwas. Jemanden, der täglich anruft und fragt, wie es mir geht, der mir Mut macht und mir sagt „Ich liebe dich, auch wenn du krank bist, ich bin für dich da, wir schaffen das gemeinsam.“ Jemanden, der mich umarmt, wenn ich Trost suche oder einfach meine Hand nimmt, wenn die Worte fehlen.
Schlagwort: chronisch Kranksein
Annehmen
„Wenn ich genug Therapie gemacht habe, werde ich keine/kaum noch Symptome mehr haben.“
„Wenn ich meine neue Arbeitsstelle antrete, wird mir das so gut tun, dass die depressiven Phasen aufhören.“
„Wenn ich meine schwierige Beziehung beendet und die Trennung verarbeitet habe, werde ich genesen.“
„Das neue Medikament wird mir helfen, keinen Rückfall mehr zu bekommen.“
„Nachdem ich in der Spezialklinik war, wird es mir so gut gehen, dass ich stabil bleibe.“
„In der Genesungsbegleiterausbildung habe ich viel über Recovery, Salutogenese und Co. gelernt. Das wird mir helfen, mich selbst zu heilen.“
So ähnlich sahen meine Gedanken lange aus. Nur noch diese eine Sache schaffen, und dann wird endlich alles gut! Wie schön, wenn es so wäre. Doch es ist nicht so. Leider.
Vielleicht ist es jetzt an der Zeit anzunehmen, dass diese magische Wende der Dinge niemals passieren wird und meine Erkrankungen mich wirklich mein Leben lang begleiten werden. Auch wenn das unfair ist. Auch wenn ich mich so sehr anstrenge. Auch wenn ich mit den Jahren so viel Fachwissen über meine Krankheiten angesammelt habe. Auch wenn … setze beliebigen anderen Punkt hier ein.
Perspektivwechsel
Es ging mir gut. So gut, dass ich mich ziemlich gesund gefühlt habe, bis eine Reihe stressiger Ereignisse meinen Weg kreuzte und meine Psyche mit dem altbekannten Muster reagierte: mit Symptomen. Und obwohl es nicht das erste Mal ist, dass das passiert, fühlt es sich doch jedes Mal wieder frustrierend an.
Ich versuche mich gerade mit einem Perspektivwechsel: froh darüber zu sein, dass es mir überhaupt so gut ging, anstatt darum zu trauern, dass dieser Zustand nicht länger bestand hatte. Was schwerer ist, als es sich anhört, bin ich doch von Haus aus Pessimistin. Oder ist das Pessimistische an mir in Wahrheit nur ein Depressionssymptom? Gute Frage. Egal, Perspektivwechsel also. Es ging mir gut und es wird mir auch irgendwann in Zukunft wieder gut gehen; ich muss nur durch dieses Tief hindurch und darf den Kopf nicht in den Sand stecken. Let’s talk about Vertrauen, Geduld und Zuversicht.