Nelias Depressions-Survivalguide

Als kleiner Reminder für mich selbst. Sollte noch jemand daraus Nutzen ziehen, freue ich mich natürlich! Trotzdem ist es mir wichtig zu betonen, dass die unten genannten Punkte auf meinen ganz persönlichen bisherigen Depressions-Erfahrungen beruhen; vielleicht helfen euch andere Dinge.

  • den Tag über genug Wasser trinken
  • auf den Kaffeekonsum (Koffein) achten. Wenn nötig, komplett darauf verzichten, besonders an Tagen, die schon mit Angst und innerer Unruhe beginne – auch wenn mein kaffeeliebendes Ich dabei innerlich aufschreit.
  • regelmäßig Essen. Bei Appetitlosigkeit z.B. Obst, Milchreis oder andere leichte Dinge. Bei Heißhungerattacken, vor allem bei denen nachts, versuchen, nicht nicht nachzugeben.(Ausnahmen sind okay!)
  • nicht zu viel Zeit im Bett oder im Schlafanzug verbringen. Stattdessen: Kleidung, in der ich mich wohl fühle und mich wie gewohnt zurecht machen  -> für mich eine Routine, die mir gut tut. Gammle ich den halben Tag im Schlafanzug herum mit ungewaschenen Haaren, trägt das erfahrungsgemäß nicht dazu bei, dass ich mich besser fühle …
  • am besten täglich rausgehen. Notfalls reicht es auch, mich einfach eine zeitlang in die Sonne zu setzen, wenn es mit einem Spaziergang nicht klappt.
  • Tagesstruktur & auf eine Balance zwischen Pflichten, Pausen und schönen Dingen achten (heißt: mich weder über- noch unterfordern)
  • Es ist vollkommen normal und in Ordnung, wenn ich in einer depressiven Episode weniger schaffe als sonst.
  • Sport. Aktuell versuche ich es jeden zweiten Tag.
  • mich nicht sozial isolieren, auch wenn mir manchmal danach ist
  • versuchen, Grübelspiralen möglichst direkt zu unterbinden mittels Gedankenstopp oder indem ich meinen Fokus weg vom Innen auf’s Außen richte
  • depressive Gedanken („Ich habe versagt“„Ich werde eh nie richtig gesund“„Ich habe so viel Hilfe nicht verdient“„Ich muss es allein schaffen!“) als solche entlarven. Sie sind nur ein Depressionssymptom und spiegeln nicht die Realität wieder. Versuchen, wie bei den Zwangsgedanken in eine Meta-Haltung zu wechseln. D.h., ich betrachte meine Gedanken sozusagen von oben und identifiziere mich nicht mit ihnen. Ich bemühe mich, sie vorüberziehen zu lassen statt mich inhaltlich mit ihnen auseinanderzusetzen.
  • bei (beginnenden) Panikattacken: Ruhig atmen. Und immer daran denken: Es geht vorüber.
  • bei suizidalen Gedanken: Sie ebenfalls als Krankheitssymptom betrachten. Die Depression lügt mich an, denn mein Leben ist an und für sich schön. Und: Symptomschübe gehen auch wieder vorbei, das war bisher immer so. * Wenn möglich: Ortswechsel/raus- bzw. unter Menschen gehen * Mich durch aufschreiben daran erinnern, was alles gut und wertvoll ist in meinem Leben und was ich alles gern noch erleben möchte. * An die Menschen, die ich liebe, denken und dass es schrecklich wäre, ihnen so etwas anzutun.  Mein persönliches Memo: Fotos mit den Lieblingsmenschen aus schönen Tagen in Sichtweite aufstellen/hängen. * In meiner Erinnerungskiste stöbern, in der ich Briefe, Postkarten, Fotos usw. aufbewahre, die mir viel bedeuten. * Mir die Liste durchlesen, in der ich angefangen habe, positives Feedback, liebe Worte, Komplimente usw. von anderen an mich zu sammeln. * Ablenken durch Tätigkeiten. * Wenn das nicht ausreicht: Bedarf nehmen. * Wenn dann immer noch nicht besser: meine Therapeutin oder meinen Arzt kontaktieren. * Im Ernstfall: Zur Notfallambulanz der Klinik fahren. War bisher zum Glück aber noch nie nötig.
  • abends die guten Momente des Tages aufschreiben 
  • Es ist kein Versagen, wie mir mein Inneres einreden will, wenn ich in depressiven Phasen öfters als sonst auf mein Bedarfsmedikament zurückgreife.
  • gut tuende Kontakte suchen, nicht-gut tuende oder gar toxische vermeiden
  • mich an all die vergangenen depressiven Episoden, Panikattacken und Zwangsstörungsschübe erinnern, die ich schon überstanden habe
  • traurige/melancholische Songs, Serien, Bücher und generell mich triggernde Themen meiden, wenn ich merke, sie verstärken meine ohnehin schon negative Stimmung noch weiter.
  • Zum Auffrischen in alten Therapieunterlagen zu lesen.
  • Auch der Austausch mit anderen depressionserfahrenen Menschen kann hilfreich sein.

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Aufgenommen

Mein zweiter Tag auf der Depressionsstation neigt sich dem Ende zu. Mein Kopf fühlt sich wie mit Watte gefüllt an, deswegen gerade nur Stichpunkte:

  • Mein Zimmer ist ein Zweierzimmer mit eigenem Bad und relativ hell. Das kenne ich auch anders und bin deswegen froh darum.
  • Meine Zimmernachbarin ist nett, wird allerdings morgen entlassen. Zu den anderen Mitpatienten hatte ich bisher wenig Kontakt #hallosozialeängste
  • Diese Woche habe ich kaum Therapieprogramm, sondern soll mich erst einmal eingewöhnen.
  • Das Personal scheint bisher freundlich und unterstützend zu sein.
  • Mein Antidepressivum wurde jetzt auf Höchstdosis gesetzt. (Bei Zwangsstörungen geht man generell höher mit der Dosis als bei Depressionen.) Jetzt heißt es Geduld haben und abwarten, ob das eine Verbesserung bringt.
  • Bisher weiß ich noch nicht, wer meine Bezugspflegekraft und mein Bezugstherapeut sind, was mich etwas unruhig macht, denn ich kenne es so, dass man das als Patient bereits am ersten Tag erfährt. Ich hoffe, das klärt sich noch vorm Wochenende.
  • Ich versuche irgendwie durch den Tag zu kommen und durchzuhalten, auch wenn mir phasenweise immer wieder nach Aufgeben ist.
  • Mein Mann hat nach Besuchszeiten gefragt, aber ich fühle mich dem momentan nicht gewachsen und habe abgeblockt.

Nicht so gut

Seit circa Mitte November habe ich den Verdacht, eine neue depressive Episode könnte sich anbahnen. Sicher bin ich mir allerdings nicht – weil es mir immer noch schwer fällt, eine beginnende Depression von einer vorübergehenden Stressphase abzugrenzen. Bei meinem Ambulanztermin gestern sprach ich mit meiner neuen Ärztin darüber.

Wir sind jetzt so verblieben, dass ich versuche, bis zur Klausur Anfang März wie gehabt weiterzumachen mit Arbeiten und Lernen und wir danach schauen, ob noch mal Tagesklinik eine Option wäre. (2017 habe ich dort viele gute Erfahrungen machen dürfen.) Oder eine Ergänzung der Medikation (wovon ich aber aus verschiedenen Gründen nicht begeistert wäre und es deswegen auch nicht wirklich in Erwägung ziehe).

Ich habe ihr versprochen, mich vor unserem nächsten regulären Termin zu melden, falls es zwischenzeitlich schlechter werden sollte. Ein Teil von mir würde gerade am liebsten im Büro auf der Arbeit alles stehen und liegen lassen und es heute noch tun, dieses sich Melden. Sagen, dass ich nicht mehr kann.

Aber mir ist auch klar, dass das wohl zu einem guten Teil Vermeidungsverhalten wäre: Weglaufen vor der anstrengenden Chefin, der schwankenden Situation zu Hause, der Prüfungsangst.

Vielleicht wäre eine neue depressive Episode genau das: Flucht. Flucht in Schwermut, Gefühllosigkeit und Stillstand meines normalen Alltags, weg von allem, was weh tut. Und ich wollte/will doch nicht mehr flüchten … Und soll für meine Genesung lernen, (unangenehme) Gefühle zuzulassen und auszuhalten. Nicht mehr so sehr wie früher auf Rettung von außen hoffen, sondern mir selbst mehr zutrauen – weil ich jetzt erwachsen bin und viele Dinge beeinflussen kann, auch wenn es sich oft noch nicht danach anfühlt.

Also bleibe ich in meinem gewohnten Alltag, zumindest heute bzw. jetzt gerade bis zum Feierabend. Und danach kann ich immer noch neu entscheiden, Tag für Tag.