Start Tagesklinik

Tag eins ist geschafft und ich bin nun ziemlich erschöpft, aber auch erleichtert angesichts des Tagesverlaufs wieder zuhause. Aber der Reihe nach …

Der Tag heute war geprägt von viel Nervosität meinerseits, vielen Gesprächen und einigem Leerlauf zwischendurch. Auf der Fahrt zur Klinik ereilte mich erst einmal eine Panikattacke – juchu, wie sehr ich das liebe, gerade wenn U-Bahn und Zug so brechend voll sind mit den ganzen Berufspendlern und Schülern. Also gut, Augen zu und durch. Ich versuchte, auf meine Atmung zu achten und mich mit Achtsamkeitübungen abzulenken, während ich innerlich am liebsten die Flucht ergriffen hätte. Als ich schließlich in der Klinik ankam, hatte sich die Angst glücklicherweise ein gutes Stück reduziert.

Ich lernte dann als erstes die Stationsleitung kennen und führte danach ein Aufnahmegespräch mit einer anderen Pflegekraft, die mir auch die Räumlichkeiten zeigte und die Abläufe erklärte. Vor Aufregung habe ich gleich die Hälfe davon wieder vergessen. Nach Warten auf das Ende der gerade laufenden Visite ging es dann weiter mit einem Gespräch mit der Stationsärztin und schließlich dem Oberarzt. Am Ende rauchte mir der Kopf und ich hatte das Gefühl, nicht gut in Worte gepackt zu haben, was ich eigentlich hatte sagen wollen. Alle Mitarbeiter, die ich heute kennen gelernt habe, machten einen freundlichen und bemühten Eindruck.

Dann war es auch schon Zeit für’s Mittagessen. Nun lernte ich nach und nach die Mitpatienten aus meiner Gruppe kennen. Sie haben dort drei Gruppen, die nach Diagnosen unterteilt sind. Meine Gruppe ist die Angst- und Zwangsgruppe. Ich war sehr erleichtert, dass viele meiner Mitstreiter/innen gleich offen und freundlich auf mich zu kamen, denn auf fremde Menschen zuzugehen fällt mir generell und insbesondere in einer depressiven Episode eher schwer. Um so dankbarer war ich, dass die anderen versuchten, mich in ihre Gespräche einzubeziehen, meine Fragen beantworteten und mich nachher auch mit zu meinem ersten Programmpunkt, der Bewegungstherapie, nahmen.

Nun bin ich also wieder daheim. All die Eindrücke, Ängste, Hoffnungen und Gespräche des Tages wirbeln wie bunte Blätter im Wind durch meinen Kopf. Noch habe ich nicht richtig realisiert, dass ich nun wirklich in der Tagesklinik bin und was das alles bedeuten wird für die nächste Zeit. Ich möchte versuchen, den Rest des Tages noch etwas zur Ruhe zu kommen und Kraft für morgen zu tanken. In den nächsten Tagen warten dann noch die standardmäßig durchgeführten Untersuchungen auf mich, d.h. Blutabnahme, körperliche Untersuchung und EKG.

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Startsignal

Heute habe ich erfahren, dass es ab Donnerstag losgeht mit der Tagesklinik. Nun bin ich aufgeregt – hoffnungsvoll – ängstlich – angespannt – zuversichtlich – am Grübeln …

Mein erster Versuch mit tagesklinischer Behandlung endete damals nach ein paar Tagen mit einem Wechsel zur stationären Aufnahme. Daher habe ich noch nicht wirklich Erfahrungen mit dieser Behandlungsform. Heute geht es mir besser als zum damaligen Zeitpunkt (damals war es eine schwere depressive Episode, heute laut AU eine mittelgradige), sodass ich eigentlich davon ausgehe, dieses Mal bis zum Ende durchzuhalten. Ich weiß von meiner Tante, dass sie aus der Tagesklinik einiges Positives für sich in Sachen Depression mitnehmen konnte. Auch dank eurer Blogs konnte ich mir schon einmal ein erstes Bild davon machen, was mich in etwa erwartet. Trotzdem schlägt mir das Herz gerade ehrlich gesagt bis zum Hals.

Viele fremde Menschen: Klinikmitarbeiter, Mitpatienten – die Angst lässt grüßen.

Die Frage, wie mein Chef darauf reagieren wird, dass ich nun erstmal weiter auf unbestimmte Zeit ausfalle und meine Schuldgefühle deswegen.

Da ist auch (in gewohnt liebevoller Art mit sich selbst umzugehen, na klar) die Frage, ob ich nicht jemanden den Platz wegnehme, der ihn nötiger hätte, dass es mir die letzten Tage über doch schon besser ging und ich am besten jetzt einfach weitermachen sollte wie bisher, mit Arbeiten und Studieren und allem anderen, meinem normalen Alltagsleben. Tschüss Tief, du bist abgehakt, wir ziehen wieder voll durch und werfen keinen Blick zurück!

Doch der vernünftigere Teil in mir weiß, dass mein aktuelles Gleichgewicht kein stabiles ist und es gut wäre, weiter daran zu arbeiten, dass ich längerfristig gefestigter bin. Dass es nicht verwerflich ist, zusätzliche Hilfe anzunehmen, wenn es die Option gibt.

(„Oder doch,“ flüstert mein innerer Kritiker. „Du bist doch gar nicht krank, du stellt dich nur an, tss. Und überhaupt … Komm‘ mal endlich alleine klar!“).

Ich bin auf jeden Fall dankbar, dass meine Lieblingsmenschen hinter mir und meiner Entscheidung stehen.

Veni, vidi, vici

…oder auf Neudeutsch: Ich kam, bestand die mündliche Prüfung und siegte damit über die Angst, die mir mal wieder einreden wollte, wie unfähig ich sei, dass ich es nicht schaffen würde und die Prüfung besser absagen sollte, was ich überhaupt im Master zu suchen hätte, und dergleichen altbekannte Nettigkeiten mehr.


Aber: Ich habe es geschafft, mit einer guten Note. Schlechter als meine Noten im schriftlichen Bereich, aber das ist okay. Mich schriftlich auszudrücken fiel mir schon immer leichter als mündlich. Trotz all der Angst, trotz der erneuten depressiven Episode und des Klinikaufenthalts in diesem Semester hat es geklappt. Ich bin wahnsinnig erleichtert und werde wohl noch etwas Zeit brauchen um zu realisieren, dass der Angstgegner mündliche Prüfung jetzt bezwungen ist (zumindest bis zur nächsten Mündlichen …).

Ich hatte eine tolle, menschliche Prüferin, die um meine Prüfungsangst wusste und versucht hat, sie mir zu nehmen. Im Anschluss an das Prüfungsgespräch haben wir uns dann noch etwas über meine weitere Studiumsplanung und meine beruflichen Pläne unterhalten. Sie fragte auch nach meiner aktuellen gesundheitlichen Situation, da sie wusste, dass ich den Prüfungstermin das Mal davor aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hatte. Ich hatte bei all dem das Gefühl, dass es mein Gegenüber wirklich interessiert. Dieses ehrliche Interesse und die Anteilnahme taten gut.

Und jetzt: Semesterferien! 😎😊