Anfälliger

Ein eigentlich sehr gutes, konstruktives Gespräch mit einer Mitpatientin über unsere jeweilige Familiengeschichte brachte mich im Zusammenspiel mit anderen Faktoren gestern Vormittag in einen unschönen Zustand, den ich nicht eindeutig der Depression, der Angst- oder der Zwangsstörung zuordnen konnte. Was mich verunsicherte, denn ich bin ein Mensch, der viel Gewissheit braucht, da mir das ein Sicherheitsgefühl gibt. Es kam mir vor wie eine Mischung aus bekannten Angststörungssymptomen, depressiven Entfindungen und dem Gefühl, gleich zu erstarren. Kurz: eine sehr anstrengende Mischung.

Ich kenne das schon, es ist nichts Neues, nur die Häufigkeit und teils die Intensität hat sich in der letzten Zeit verändert. Inzwischen kann ich im Rückblick anders als früher auch meist konkrete Auslöser für diese Schübe ausmachen.

In der Regel ist es so, dass sich das Ganze wie eine Panikattacke bis zu einem gewissen Punkt aufbaut und dann irgendwann abflaut. Die Nachwirkungen wie körperliche und mentale Erschöpfung, Lärmempfindlichkeit und nah am Wasser gebaut Sein können sich dann über ein paar Stunden bis zu mehreren Tagen ziehen.

Gestern halfen mir diverse Skills sowie Gespräche mit der Pflege, viel Ruhe und Bedarfsmedikation.

Meine ambulante Therapeutin, die ich vor ein paar Tagen um ein kurzes Telefonat gebeten hatte, um etwas zu fragen, rief dann passenderweise genau an diesem Tag an. Sie half mir, mein Erleben einzuordnen und zu verstehen, warum ich momentan anfälliger als sonst für diese Zustände bin: Die Trennung rührt vermutlich belastende Kindheits- und Jugenderfahrungen an und aktiviert damit zusammenhängende alte Gefühle, Verhaltens- und Gedankenmuster (Schemata). Ich hatte das bereits vermutet. Trotzdem tat es mir in diesem Moment einfach nur gut, es noch einmal von meiner Therapeutin als Fach- und Vertrauensperson, die mich seit längerem kennt, bestätigt zu bekommen:

Ich stelle mich nicht nur an. Da waren Dinge in meiner Kindheit und Jugend, die nicht okay waren und die mich geprägt haben. Auch wenn diese Dinge nicht die Kriterien eines „klassischen“ Monotraumas erfüllen, so handelte es sich doch um emotionale Gewalt über einen längeren Zeitraum. Es kann sein, dass diese Erfahrungen sich traumatisierend ausgewirkt haben und gerade bestimmte Symptome verursachen. Meine Probleme sind nicht grundlos. Alles, was gerade da ist, darf sein. Und ich kann lernen, in Zukunft noch besser damit umzugehen.

Werbung

Noch 12 Stunden

… haben wir übrig, sagte mir meine Therapeutin gestern auf meine Nachfrage hin. Dann haben wir die 80 h Langzeit-VT voll. Da wir seit einiger Zeit einen zwei Wochen-Rythmus bei unseren Terminen haben, kommen wir mit den übrigen Stunden noch circa ein halbes Jahr hin. Wie bzw. ob es danach weitergeht, wollen wir in unserer nächsten Stunde Anfang Januar besprechen.

Ich habe mir vorgenommen, mich bis dahin nicht tiefer mit dem Thema zu beschäftigen, sondern mich auf die Feiertage und den Urlaub zu freuen und zu fokussieren. Einfacher gesagt als getan 😅

Ich wünsche mir eine Verlängerung, von der ich inzwischen u.a dank euch weiß, dass sie nicht einfach zu erreichen, aber prinzipiell möglich ist, wenn meine Therapeutin dafür ein Gutachten schreiben und dieses vom Gutachter dann bewilligt werden würde.

Würde sie diesen Mehraufwand an Arbeit für mich in Angriff nehmen? Sieht sie noch genug Behandlungsbedarf, wo sie doch gestern meine Fortschritte gelobt hat? Wie schätzt sie die Erfolgsaussichten ein? Hat sie noch Lust, weiter mit mir zu arbeiten oder genug nach bald 3 Jahren?

Gestern sprach sie wieder davon, dass das, was ich phasenweise in meiner Kindheit und Jugend erlebt habe, emotionaler Missbrauch sei und die Seele eines Kindes ebenso schädigen könne wie offensichtlichere Gewaltformen. Ein Argument für eine Verlängerung?

Auf jeden Fall aber ein Gedanke, an den ich mich noch gewöhnen muss. Mal fühlt er sich passend und erleichternd an und scheint vieles zu erklären. Dann wiederum denke ich, meine Therapeutin übertreibt, so schlimm ist/ war es nicht bzw. mir steht es nicht zu, in irgendeiner Form von Gewalt oder gar Missbrauch zu sprechen.

Wir haben leider ein nicht so kleines Kontingent unserer Stunden dafür gebraucht, um an meiner Stabilisierung zu arbeite. Erst danach war es möglich, so richtig an dem anzusetzen, was ich inzwischen meine Kernthemen nenne. Dabei hat mir der schematherapeutische Ansatz sehr geholfen und ich würde gerne weiter in diese Richtung arbeiten und parallel dazu Expositionsübungen gegen die Zwänge mit ihr machen.

Mein Wunsch: die Therapie bis zum Masterabschluss noch weiterführen zu können, da ich denke, dass die Abschlussphase eine anstrengende und schwierige Zeit für mich werden könnte (meine Symptomatik tritt vermehrt in Prüfungs- & allgemein in Stressphasen auf). Und auch die Beziehungssituatuation ist noch offen …

Drückt ihr mir die Daumen für eine Verlängerung?