Ich weiß nicht genau, wie oft ich in diesem Blog schon geschrieben habe, dass man sich nicht dafür schämen sollte, eine psychische Erkrankung zu haben (oder mehrere …). Auf jeden Fall einige Male. Tja, und was tue ich gerade aufgrund meiner aktuellen Situation? Mich schämen. So viel also zum Thema Wasser predigen und Wein trinken …
Ich schäme mich – vor meiner Familie, vor meinem Partner, einigen meiner Freunde, teilweise auch vor meinem Arzt und meiner Therapeutin. Hätte ich ein Haustier, würde ich mich wahrscheinlich auch noch vor ihm schämen *schwarzer Humor Ende*
So kommt es, dass meine Eltern bisher noch nichts von der aktuellen Lage wissen. Meiner besten Freundin habe ich es heute erst erzählt. Dabei wusste ich doch, dass sie mich nicht verurteilen würden.
Warum ich mich trotzdem schäme? Ich schäme mich dafür, mein Leben nicht besser im Griff zu haben, nicht oder mühsamer als andere die Dinge zu schaffen, die ein erwachsener Mensch meines Alters meiner Meinung nach schaffen sollte. Anderen kann ich Fehler, Schwächen oder Einschränkungen viel leichter nachsehen und verzeihen als mir selbst. „Können Sie bitte aufhören, so verdammt streng zu sich selbst zu sein?“, sagte man mir in der Klinik einmal. Das würde ich in manchen Momenten wirklich gern. Und ich weiß, dass ich es auch sollte. Ich bin mir allerdings oft nicht sicher, wie genau ich das bewerkstelligen soll.
Und so arbeite ich gerade daran herauszufinden, wie das geht: mich selbst nicht in so vielen Aspekten meines Lebens so wahnsinnig unter Druck zu setzen. Gelassener zu werden. Zu akzeptieren, dass ich im Studium nicht immer Bestleistungen bringen kann und das auch nicht muss, um als Mensch wertvoll zu sein. Dass ich mich nicht immer mit anderen vergleichen sollte. Denn mit diesem Druck treibe ich mich selbst immer wieder in Tiefs und befeuere meine Symptomatik.
Das zu erkennen tat weh und ist mir noch nicht so lange bewusst. Ich brauchte die Perspektive und die Denkanstöße Außenstehender dazu, musste es erst mehrmals von verschiedenen Personen hören. Jetzt habe ich es (hoffentlich …) verstanden und will versuchen, diese Einsicht nicht wieder zu verdrängen, sondern meinem Verhalten und Denken eine neue Richtung zu geben. Es wird nicht einfach werden, so viel ist klar, denn ich trage diese Muster schon lange in mir und dementsprechend tief sind sie verinnerlicht.
Meine Lösungsansätze:
Schritt eins, aufhören, mich zu schämen. Lieber Mitgefühl mit mir selbst haben. Mitgefühl, aber kein Selbstmitleid. Der Unterschied ist wichtig, denn Selbstmitleid verleitet mich dazu, alles beim Alten zu lassen und Ausflüchte und Ausreden zu suchen, Verantwortung abzugeben getreu dem Motto „Ich bin krank und deshalb kann ich x/y/z nicht“, so, wie ich es in den ersten Jahren nach der Depressionsdiagnose leider teilweise gemacht habe. Stattdessen möchte ich die Verantwortung für mich und mein Leben noch mehr übernehmen als bisher. Aber auf eine gesunde Weise.
Da stehe ich voll und ganz hinter dir und mache mit!
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Das tut gut, danke😘
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Liebe Nelia,
manchmal hilft es, wenn man sich im Kontext betrachte. Du studierst und arbeitest, wie viele mit Depressionen können das nicht? Wie viele bleiben auf der Strecke Sei stolz auf dich, dass du das alles meisterst, denn es könnte immer noch schlimmer sein 🙂
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Liebe Alice, danke dir, deine Worte taten mir gut und haben mich zum Nachdenken gebracht.
Rein rational weiß ich, dass ich es so übel gar nicht getroffen habe. Emotional schaut es leider aber oft anders aus: Da fühle ich mich als Versager, weil ich deutlich länger für den Bachelor gebraucht habe als die Regelstudienzeit, weil ich nun im Master schon wieder hinter dem Zeitplan hinke und aktuell weniger als 10 h die Woche jobbe (bzw. momentan wegen der Krankschreibung gar nicht), während ich ich vor ein wenigen Jahren noch 20 h als Werkstudentin gewuppt habe. Ich weiß, ich sollte mich nicht immer mit gesunden (ehemaligen) Mitschülern und Kommilitonen vergleichen und tue es doch so oft. Ich habe Angst, meine Lebensträume nicht zu erreichen, dass ich zu schwach dafür bin oder mich die Erkrankungen daran hindern.
Ich glaube, dieses Gefühl unzureichend zu sein und mich oft nur auf das Negative zu fokussieren ist eines meiner Kernprobleme. Daran möchte ich jetzt arbeiten. Dein Blog und die Blogs einiger anderer liebgewonnener Mitblogger machen mir diesbezüglich Mut und geben mir viele gute Denkanstöße.
Herzliche Grüße
Nelia
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Liebe Nelia, ich kann so gut nachvollziehen was Dich bewegt und wie schwer es Dir fällt. Gerade mit Mitte Zwanzig will man alles, aber nicht „anders sein“. In dieser Zeit habe ich mich so oft übernommen, weil ich das auch nicht akzeptieren wollte oder konnte.
Ich wünsche Dir viel Kraft um Dein Leben weiterhin so phantastisch zu meistern.
Vielleicht noch ein Denkanstoß: man muss Lebensträume nicht aufgeben, man kann sie auch umformulieren und sich das Leben damit leichter machen.
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Danke für deinen Kommentar, er tat mir wirklich gut heute morgen beim Lesen …
Ich schäme dafür und es tut mir manchmal weh, anders zu sein, dabei weiss ich doch, das es keinen Grund dafür gibt. Ich hoffe, dass ich lernen kann, mich in Zukunft selbst mehr anzunehmen und mehr auf all die guten und wertvollen Aspekte meines Lebens zu schauen statt um das zu trauern, was fehlt.
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